Material: Kerze, Gesangbuch
Glockenläuten
Kerze entzünden
Einstimmung
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen
Menschen haben immer eine Geschichte miteinander. Schuld bleibt, Wunden heilen nur langsam und können wieder aufbrechen. Doch auch Vergebung ist möglich und Neuanfänge miteinander. Die Belastungen tragen beide zusammen. Paulus schreibt im Brief an die Galater 6,2: „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“
Wir sind versammelt. An unterschiedlichen Orten. Zur gleichen Zeit. Im Glauben.
Psalm 42, EG 723
Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser,
so schreit meine Seele, Gott, zu dir.
Meine Seele dürstet nach Gott,
nach dem lebendigen Gott.
Wann werde ich dahin kommen,
dass ich Gottes Angesicht schaue?
Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht,
weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott?
Daran will ich denken
und ausschütten mein Herz bei mir selbst:
wie ich einherzog in großer Schar,
mit ihnen zu wallen zum Hause Gottes
mit Frohlocken und Danken
in der Schar derer, die da feiern.
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er mir hilft mit seinem Angesicht.
Am Tage sendet der HERR seine Güte,
und des Nachts singe ich ihm und bete zu dem
Gott meines Lebens.
Ich sage zu Gott, meinem Fels:
Warum hast du mich vergessen?
Warum muss ich so traurig gehen,
wenn mein Feind mich drängt?
Es ist wie Mord in meinen Gebeinen, / wenn mich
meine Feinde schmähen
und täglich zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott?
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.
Amen
Gebet zur Einkehr und zur Verbundenheit miteinander an verschiedenen Orten
(eine*r betet für sich oder alle in der Hausgemeinschaft beten gemeinsam laut)
Gott.
Ich bin hier.
Und Du bist hier.
Ich bete zu Dir.
Und weiß: ich bin verbunden.
Mit Dir.
Mit anderen, die zu Dir beten.
Genau jetzt.
Genau so.
Ich bin hier.
Und Du bist hier.
Das genügt.
Ich bringe Dir alles, was ist.
Stille
Höre auf unser Gebet. Amen
Lesung und Predigttext für diesen Sonntag
Lesung aus dem Alten Testament im 1. Buch Mose 50,15-21, zugleich Predigttext
Die Brüder Josefs aber fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben. Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters! Aber Josef weinte, als man ihm solches sagte. Und seine Brüder gingen selbst hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte. Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.
Lied: EG 495 O Gott, du frommer Gott 1 - 4
Verkündigung
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde,
wenn ein Familienoberhaupt, Vater oder Mutter gestorben ist, ja sogar beide Elternteile, verändert sich einiges. Einzelkinder rutschen eine Generation hoch. Geschwister müssen untereinander die Rollen neu aushandeln. Es steht einiges auf dem Spiel. Vater oder Mutter ist nicht zu ersetzen, auch wenn jemand seine Rolle vielleicht einem Bruder zuschreibt. Und bleibt die Familie nach dem Tod zusammen oder gehen alle ihre Wege, sind vielleicht schon durch die Wohnorte zerstreut in alle Himmelsrichtungen? Wohin geht es? Zu welchen Festen und Anlässen trifft man sich, wer lädt dazu ein? Was wird bewahrt?
Unter Geschwistern gibt es manchmal auch alte Verletzungen. Nach einer Auseinandersetzung brach der Kontakt ab. Es gibt ein Wiedersehen nach langer Zeit unter anderen Bedingungen, Mißtrauen, Not, Versöhnung. Unser Predigttext ist ein gutes Beispiel dafür. Wie gehen sie miteinander um, wenn der Vater, der seinen Sohn so lieb gehabt hat, nicht mehr da ist? Gilt die einmal ausgesprochene Versöhnung noch oder brechen alte Wunden noch einmal auf, gibt es Vergeltung?
Gute Erinnerungen tragen meistens, sie verbinden die Familienmitglieder weiterhin miteinander. Die schweren Erinnerungen kosten Kraft, werden Last und Belastung, verbunden mit Angst und Zweifeln, eingehüllt in Schweigen. Frauen und Männer haben schon um Familienaufstellungen gebeten, um ins Reine zu kommen mit Lebenden und Verstorbenen, zu verstehen, sich und die anderen, wieder miteinander zu sprechen. Anderen war es wichtig, nach einer langen Kontaktlosigkeit wenigstens am Grab eines Angehörigen zu stehen. Dort ist noch eine Möglichkeit zum inneren Abschied, sich auszusöhnen, die vorher nicht gegeben war. Eine Antwort des Lebenden gibt es nicht mehr, aber auch nicht das Gefühl, nicht da gewesen zu sein.
Und bei Josefs Familie; wir können sie fragen:
einer der Brüder würde sagen: Josef war als Kind die Nervensäge, Vaters Liebling, mit seinen Träumen von Allmacht weckte er unseren Hass. Wir haben überreagiert, sind ihn losgeworden und den Vater haben wir getäuscht. Aber man sieht sich immer noch einmal wieder. Wir litten Hunger und suchten wie viele aus unserem Volk beim reichen Verwalter in Ägypten Hilfe. Was für eine Überraschung, als er sich als unser Bruder zeigte. Wir hatten Angst vor ihm, er hat geweint, nachdem er uns geprüft hat, hat er uns vergeben. Doch die alte Schuld hat mich bis heute nicht losgelassen. Bleibt er uns wohlgesonnen, jetzt, wo unser Vater beerdigt ist?
Josef könnte sagen: meine Brüder. Damals haben sie mich in den Sack gesteckt, verkauft, aus der Familie geschmissen. Ich habe nichts mehr von ihnen und dem Vater gehört. Und in Ägypten hatte ich es mal gut, mal schlecht. Ich habe mich einsam gefühlt, verraten. Meine Träume verließen mich nicht. In meinen Träumen sprach jemand zu mir: Gott? Ich habe zu ihm gebetet. Ich glaube, er war auf meiner Seite. Und dann kamen während der Hungersnot die Menschen aus den anderen Ländern und baten um Getreide. Ich erschrak, als ich meine Brüder sah. Was führten sie im Schilde? Zugleich fühlte ich mich ihnen verbunden, mein jüngster Bruder, mein Vater, den ich liebte, waren wichtiger als die alten Wunden. Ich versöhnte mich mit ihnen und weinte. Ich drückte jeden ganz fest.
Was die Brüder mit Josef gemacht haben, ist hier und heute eine Straftat. Vor der ersten Vergebung hat er ihnen seine Macht gezeigt, sie geprüft und gemerkt, dass sie sich verändert haben.
Und jetzt denken sie sich aus Angst wieder etwas aus, um nachher vor ihm gut da zu stehen: "Der Vater hat gesagt...." Letzte Worte haben Wirkung. Nachher kommen sie und bitten persönlich. Josef weint. Weil sie wieder unsicher geworden sind? Weil sie wieder einen Trick anwenden? Weil sie Angst vor ihm haben?
Josef konzentriert sich aber nicht mehr allein auf ihre gemeinsame Geschichte. Er schaut auf seine Lebens- und Glaubenserfahrung zurück. Gott hat es gut mit ihm gemeint. Das kann er seinen Brüdern frei heraus sagen. Im Auf- und Ab auch in Ägypten, in Gefahr war Gott bei ihm. Er trägt ihn im Herzen. Die Zeiten für ihn sind jetzt gut. Durch seine Tüchtigkeit, gutes Organisationstalent, Traumdeutung hat er Einfluss am Hof des Pharaos. Dafür ist er dankbar. Den Brüdern kann er die Hand geben, tut es aber nicht als Gönner oder jemand, der über allem steht. Er begegnet ihnen als Mensch und Familienmitglied, der in den Abgrund gesehen hat und wieder heraus gekommen ist. Er weiß, dass sie ihre Schuld weiter mit sich herumtragen und erlebt, dass sie jetzt neu quält. Auch wenn sie sich geändert haben: sie gehört zu ihrer Familiengeschichte. Sie hat die Brüder getrennt und gebunden. Und er trägt mit ihnen mit. Dadurch geht sie anders weiter als in immer derselben Wiederholungsschleife vom Stärkeren und Schwächeren, vom wie du mir so ich dir. Gerechtigkeit ist ihm widerfahren. Die existenzielle Verletzung gehört zu seinem Leben, ist aber aufgehoben in Gottes Güte. Er hat ihn in seinem Glauben gestärkt und ihm Orientierung gegeben, Freiheit geschenkt. Ein Geschenk war, dass er noch seinen Vater Jakob wiedergesehen hat. Er, seine Söhne und seine Brüder wurden von ihm vor seinem Tod gesegnet und haben ihn begraben. Auch Jakob stand trotz seiner Schwächen und Tricks unter Gottes Segen, errang ihn sich und lebte in seiner Verheißung. Weil Josef wie sein Vater unter Gottes Segen steht, schlägt er die Bitte seiner Brüder um Vergebung jetzt, da er Macht und Weisheit hat, nicht aus.
Seine Erfahrungen, Barmherzigkeit, Mitgefühl, sein Glauben an den Gott seiner Väter, von dem er Gutes erfahren hat, lassen ihn seinen Brüdern Platz einräumen und Leben gewähren, auch wenn der Vater nicht mehr lebt. "Fürchtet euch nicht!" sagt er und bietet ihnen Versorgung an, gibt ihnen gutes Land. Neue Wege können gegangen werden.
Josefs Familiengeschichte kennen viele von uns aus dem Kindergottesdienst, der Grundschule und den Kinderbibeln. Zugleich sind ihre Motive in der Weltliteratur aufgenommen worden, z.B. Von Thomas Mann. Und sie schließt die Vätergeschichten im Alten Testament ab und leitet in die neue Zeit mit Moses über. Die Familie, das sind nicht nur Personen, sondern die Stämme Israel. Es ist die Geschichte Gottes mit seinem Volk. Sie spielt in Ägypten, berichtet von Integration. Durch ihre jetztige Stellung in der Bibel bereitet sie die Rückkehr in das von Gott verheißene Land in einigen Generationen vor.
Sie möge uns stärken in den Verstrickungen und Verwicklungen unseres Lebens, unserer Familien. Unser Glaube an Jesus Christus, der sagte: "meine Last ist leicht" und der unsere menschliche Schuld mitträgt und uns davon löst, Paulus Worte "Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen," mögen uns Orientierung und Halt geben, Hoffnung wecken und Sehnsucht nach Frieden stärken. Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.
Lied EG 623 Die Erde ist des Herrn
Fürbitte
Gott. Wir sind verbunden.
Als Menschen mit Menschen.
Als Glaubende miteinander.
Als Glaubende und Menschen mit Dir.
Wir bringen Dir unsere Gedanken, unser Danken und unser Sorgen, unsere Freude und unsere Zweifel.
Stille
Wir denken an alle, die wir lieben. - Was tun sie gerade. Und wir bitten dich, behüte die zu Hause und die unterwegs. Wir bitten um Erholung für alle, die miteinander freie Zeit verbringen. Wir bitten um gute Chancen für alle, die jetzt ihren Schulabschluss machen. Wir bitten für die, die um ihre Arbeitsplätze bangen.
Stille.
Wir denken an alle, die in diesen Zeiten noch einsamer sind.
Stille.
Wir denken an alle Kranken.
Und an alle Kranken in Krankenhäusern, die kaum Besuch haben dürfen.
Stille.
Wir denken an alle, die helfen. - Sie setzen sich und ihre Kraft und ihre Gaben füreinander ein. Gib ihnen Kraft und Geduld und Durchhaltevermögen.
Stille.
Gott. Wir sind Deine Menschen.
Wir sind miteinander verbunden, zu Hause und fern von zu Hause.
Wir bitten dich für die Menschen, die durch Anschläge getötet worden sind, für die, die geschockt sind und um sie trauern. Wir bitten um deine Gerechtigkeit und um deinen Trost.
Wir alle atmen die Luft Deiner Schöpfung.
Beten zu Dir in allem, was ist.
Beten zu Dir mit den Worten, die Jesus uns gelehrt hat:
Vaterunser
Sendung und Segen
Hände öffnen und laut sprechen:
Gott segne uns und behüte uns.
Gott lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Gott erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen
Kerze ausblasen
Nach einem Gottesdienstentwurf von www.michaeliskloster.de Predigt und Bearbeitung S. Köhler